Singer
Isaac Merritt Singer gründete am 12. August 1851 die „I. M. Singer Company“ in Boston. Am selben Tag wurde sein Entwurf einer Nähmaschine als Patent zugelassen. Bereits 1860 war seine Firma das größte Nähmaschinen-Unternehmen der Welt. Produktionsstätten in New York, Glasgow (später Clydebank), Elisabethporth (USA), Podolsk (Russland), St. Johns (Kanada) und Wittenberge (Deutschland, nahe Berlin) machten den Namen schließlich weltbekannt.
Die Singer im Geigenkasten
Eine frühe Form der Nähmaschinen, die Singer produzierte, nennt sich „Geigenkasten“ bzw. „Fiddlebase“ und beschreibt eine Nähplatte in Form einer Geige. Spätere und insbesondere heutige Nähmaschinen haben eine schlichte rechteckige Form, so dass die Geigenkasten-Form etwas Besonderes ist.
Die Singer-Nähmaschine Modell „Family“ hat eine solche Nähplatte, die der Form einer Geige nachempfunden ist. Der zierlich gearbeitete Ständer der Nähmaschine (der L-förmige Teil der Nähmaschine, an dem rechts das Handrad und links u.a. die Nadelstange befestigt sind) ist wie die Nähplatte üppig mit Golddekor versehen und im Gegensatz zu späteren und heutigen Nähmaschinen eckig geformt.
Ausstattung
Das „Family“-Modell ist eine Koffernähmaschine, deren eisernes Gestell in einem hölzernen Untersatz und einem hölzernen Deckel verbaut ist. Alte Koffernähmaschinen, deren Gehäuse aufwändig aus Holz gefertigt wurden, sind im Grunde unzerstörbar. Heutige Nähmaschinen in Kunststoffgehäusen können da nicht mithalten.
Die Singer-Nähmaschine Modell „Family“ ist eine Langschiff-Nähmaschine. Sie kann ausschließlich Geradstich nähen (Zickzack-Nähmaschinen sind eine wesentlich spätere Erfindung) und nur vorwärts nähen. Das heute übliche Vernähen durch Vor- und Zurücknähen ist also noch nicht möglich. Dennoch greife ich immer wieder zu dieser ästhetisch ansprechenden Nähmaschine, da sie leichtgängig ist und ein tadelloses Stichbild ergibt. Und mehr braucht es eigentlich nicht, oder?
Ursprünglich konnte die Singer „Family“ mit zahlreichem Zubehör (Nähfüßen für nahezu jede Aufgabe) erworben werden. Auch wenn meine Nähmaschine nur über wenig Zubehör beim Erwerb verfügte, erwies sie sich für Nähfüße anderer Nähmaschinen als ausgesprochen kompatibel.
Ich hatte zudem das große Glück, dass meiner Singer sogar die Bedienungsanleitung beilag – und zwar nicht nur als Kopie, sondern als Original. Solch eine Nähmaschine mit Bedienungsanleitung erstehen zu können, ist sehr selten. Die Bedienungsanleitung weist zwar durch zweifache Faltung Risse auf und wurde am linken Rand von Hand mit einem Faden geheftet, ist aber vollständig und lesbar. Die „DIRECTIONS FOR USING“ sind in englischer Sprache verfasst worden.
Altersbestimmung
Wann meine Nähmaschine genau entstand, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Sie hat interessanterweise zwei Produktionsnummern. Dies bedeutet, dass sie vor dem Jahr 1900 erbaut wurde, da alle späteren Singer-Maschinen nur eine Produktionsnummer aufweisen. Wofür die beiden Nummern jedoch stehen, hat Singer scheinbar nie offengelegt. Vermutlich handelt es sich bei der höheren Nummer um die allgemeine Produktionsnummer, aus der sich das Produktionsjahr ableiten lässt. Die niedrigere Nummer verrät wohl, um die wievielte Nähmaschine eines Typs es sich bei der Nähmaschine handelt. Meine Nähmaschine wurde demnach wahrscheinlich im Jahr 1889 produziert.
Und ewig surrt die Singer…
Alles in allem ist die Singer „Family“ eine Nähmaschine, die nicht einfach näht, sondern mit der das Nähen selbst zum Vergnügen wird. Sie ist so schön wie sie robust ist und wird trotz ihrer 130 Jahre (Stand: 2019), die sie inzwischen zählen dürfte, auch viele weitere Jahre leben. Besonders anspruchsvoll ist sie nicht: etwas Öl, ein trockenes Plätzchen genügen ihr. Und sicher tut es der Mechanik gut, nicht nur bewundert, sondern bewegt zu werden. Baumwollstoffe und Spitze habe ich mit ihr verarbeitet.
Wer sich anschauen möchte, was daraus entstanden ist, kann sich ja mal die Kissen anschauen…